Freitag, 7. September 2012

Die Frage

„Waren sie mit ihrem Einkauf zufrieden?“ fragt mich die Dame an der Kasse in vom Polnischen leicht gebrochenem Deutsch. Dabei sieht sie mich nicht an, sondern beguckt sich meine Einkäufe: ein Glas Bratenfond, eine Tube Tomatenmark (und zwar das mit Würzgemüse), eine Packung Kaugummi, eine Flasche Babysaft mit Eisen zur Blutbildung und zwei Brötchen in einer Plastiktüte.
Ich blicke sie irritiert an. Was meint sie wohl? Was möchte sie von mir wissen? Natürlich bin ich nicht zufrieden, ich hätte lieber alles umsonst gehabt, also ohne zu bezahlen raus und dann juhu!
Aber das meinte sie wohl nicht.
Vielleicht möchte sie wissen, ob es mir hier gefallen hat. Ich sehe instinktiv zur Decke, schaue mir die Rohre unter der Betondecke an und denke, dass sie sie wenigstens nett anstreichen könnten. Aber ist es das, was sie wissen will?
Ich beschließe in die Offensive zu gehen „Was meinen sie?“
Jetzt ist es an ihr irritiert auszusehen. Sie sieht mich erstaunt an. Das hat wohl noch niemand gefragt.
Das Erstaunen hält an!
„Ähm, ob ihnen ihr Einkauf gefallen hat?“ wiederholt sie und sieht mich an.
Ich überlege kurz ob ich meine Gedanken zu den Rohren oder dem kostenlosen Einkauf aussprechen soll, dann hat sie sich etwas gefangen und fügt hinzu. „Haben sie alles gefunden?“
„Ich habe gar nichts gesucht“ antworte ich spontan nun ebenfalls perplex. Schließlich bin ich morgens gar nicht in der Lage einen klaren Gedanken darüber zu fassen, was ich im Supermarkt kaufen möchte. Ich lasse mich, wie man so schön sagt: treiben. Ich sehe mir in den Regalen all die schönen bunten Kartons an und wenn ich etwas interessant finde, dann kaufe ich es. Das ist ein bisschen wie Shopping für Frauen….denke ich…? Auf jeden Fall habe ich morgens keinen Plan, was ich möchte. Außer den Brötchen natürlich. Naja, ob es Brötchen sind, weiß ich nicht so genau, aber sie sehen aus, wie solche und sie sind unschlagbar billig. Nur das Herausholen der Dinger aus dem Regal mit dieser Zange mit den glatten Kanten ist wirklich blöd. Schon so manches Mal habe ich eine zirkusreife Jongliernummer hingelegt, nachdem mir das Brötchen aus der Zange geflutscht und in Richtung Fußboden unterwegs war.
„Ich würde es gut finden, wenn ihre Brötchenzangen etwas griffiger wären, dann rutscht mir das Brötchen nicht mehr ab“ antworte ich nach diesem Gedankengang und sehe sie stolz an. Ich lächle.
„Ja, das wäre eine gute Idee“ sagt eine Stimme hinter mir, und als ich mich umdrehe stelle ich fest, dass sich eine junge Frau eingemischt hat, die ebenfalls diese Brötchendinger gekauft hat.
Aha ! Ich bin also nicht der einzige der Probleme damit hat.
Ich lächle sie dankbar an und sie lächelt dankbar zurück.
Wir sehen beide die Kassiererin an und es hat es triumphales, wie wir da so stehen und sie anblicken. Endlich habe ich verstanden, was sie meint und endlich habe ich eine gute Antwort gefunden. Und es gibt sogar Zustimmung aus dem Kundenkreis.
Die Kassiererin ist jetzt völlig durch den Wind. Sie sieht von einem zum anderen und weiß nicht mehr, was sie sagen soll.
Also greift sie in das Standardrepertoire jeder Kassiererin und sagt das Wort, wohlgemerkt, dieses eine Wort, dass man von jeder Kassiererin, von Aachen bis Zabern zu hören bekommt, wenn man seine Einkäufe bezahlt hat.
Dieses eine Wort ist: schönentagnoch!
Bei den meisten Kassiererinnen folgt dann, nach einer ganz genau kalkulierten Sekunde, noch ein „Danke“.
Und das auch, wenn man gar nicht „gleichfalls“ oder „ebenso“ geantwortet hat.
Aber „schönentagnoch“ ist mein Favorit unter all den Worten, die man in einem Supermarkt zu hören bekommt.
Es rangiert noch vor „undsonstnoch“ an der Fleischtheke oder Fischtheke oder an den anderen Theken dieser Welt.
Ich packe meine Sachen ein, lächle sie an und ebenfalls die junge Frau hinter mir und dann verschwinde ich ganz schnell aus dem Laden.
Und zwar bevor sie merkt, dass sie in ihrer Verwirrung vergessen hat, mir Geld abzuverlangen für meinen Einkauf.
Das mache ich morgen wieder.
Bis sie mal die Zangen etwas griffiger machen…

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